Taking Measures

A project by Free Class FFM in collaboration with Faites votre jeu!

- Contact: freeclassfrankfurt[at]gmail.com




Contents:


Maßnehmen - Intro


Taking Measures - Intro


Free Class Realism Seminar at Faites votre jeu!



Seminar dates at

"Faites votre jeu!"

(Klapperfeldgasse 5, FFM):



- contact freeclassfrankfurt[at]gmail.com for information on new seminar dates.


- 28.05.2009, 16:30


We continue the discussion on the text by Eugene Lunn: Marxism and Art in the Era of Stalin and Hitler: A Comparison of Brecht and Lukács


- 22.05.2009, 20:00


We discuss the texts:

Eugene Lunn: Marxism and Art in the Era of Stalin and Hitler: A Comparison of Brecht and Lukács

and

Interview with Klaus Herding: Das Überzeitliche im Realismus





Maßnehmen - Intro

english version

Seminar-Info


Große Kunst-Sponsoren kürzen ihre Etats oder lösen sich in Luft auf, wie etwa die Investmentbank Lehman Brothers, die auch das Städel Museum in Frankfurt am Main mitfinanzierte. Zugleich wird die "Kulturnation" Deutschland gerade in der Wirtschaftskrise von Kunst als Standortinvestition profitieren. So zeigt im Bereich der Bildenden Kunst die Fülle an Deutschland-Ausstellungen der Letzten Jahre,[1] wie dezidiert kritische Kunstbezüge Richtung Nation, kuratorisch gewendet, in ganz persönliche, subjektive Bekenntnisse zum Standort Deutschland umgedeutet werden. Wir erleben die „kritische Widergeburt von Nationalismus als Kultur.“[2] Individualisierte Leidens- und Leistungsimperative der Kunst werden so zur kulturalisierten Ressource eines subjektivistischen Nationalismus, der vorgibt potentiell jede Differenz produktiv machen zu können.
Spätestens die aktuell verstärkt spürbare Krisenhaftigkeit kapitalistischer Ökonomie erzwingt einen realistischeren Blick auf die Dinge. Anstelle der neoliberalen Euphorie freier, de-regulierter Märkte, tritt mittlerweile in allen Regierungen der genau so neoliberale Streit zwischen Globalisierung und nationalem Protektionismus. Einigkeit herrscht dennoch vor allem darin, dass die Krise endlich Anlass bieten soll den Kapitalismus im Sinne des Gemeinwohls zu „moralisieren“. Das damit nicht vorrangig Green-Peace oder Attac geschmeichelt werden soll verdeutlichte Angela Merkel in ihrer Neujahrsrede 2009: „In der Krise zeigt sich der Gemeinsinn. Dieser Gemeinsinn kann uns jetzt überall voranbringen. (…) Wir Deutschen haben schon ganz andere Herausforderungen gemeistert, im kommenden Jahr werden wir uns daran erinnern.“[3] Ein ebenso nationales Wir-Gefühl war kurz darauf Motivation jener krisengeschüttelten Arbeiterschaft in Großbritannien, die sich in wilden Streiks mit der Forderung „Britische Jobs für britische Arbeiter“ den zuvor gemachten Versprechungen ihrer Labour-Regierung besinnten. Und so verdeutlicht sich die Kehrseite jenes kulturalisierten National-Gefühls, dessen differenz-bejahenden Ideale den Bestimmungen einer grundsätzlich prekären politischen Ökonomie unterliegen. So lang der Laden läuft werden alle Differenzen, für die es genug Arbeit gibt toleriert. Zumindest so lang bis die nächste Krise die ökonomische Legitimation dazu liefert das Inventar an „Human-Resourcen“ national neu zu sortieren.
Die aktuelle Situation verdeutlicht also die Dringlichkeit einer Kritik der Nation. Für uns als Künstler_innen stellt sich dabei die Frage danach, wie der Nationalisierung im und aus dem Kunstfeld heraus entgegnet werden kann. Die Kunst, die ihre Selbstbestimmung jenseits der Idealisierung neoliberaler Subjektivismen von „Ich-AG“ bis „Du-bist-Deutschland“ sucht, wird ihre realistischen Möglichkeiten neu diskutieren müssen. Das kulturelle Widererstarken nationalistischer Romantizismen erfordert so auch die Aktualisierung einer realistischen Haltung der Kunst. Es geht um Realismus[4] – eine realistische Kunstpraxis also, die die nationale Naturalisierung der Gegenwart konfrontiert. Zugleich scheint es jedoch als hätte Kunst mehr mit Polizei gemeinsam als mit Politik. Die romantischen Wurzeln der Kunst dienen nach wie vor als Werkzeug subjektivistischer Normalisierung, auch wenn Künstler_innen als Subjekte der Aufklärung immer auch zu konkreten Formen von Solidarität befähigt sind. Wir wollen Realismus also als solidarische Kunstpraxis diskutieren, in Opposition zu jenem Kultur-Nationalismus und dessen Ressourcen in der Kunst. Dabei geht es nicht um bloßes Reenactment des geschichtlichen Referenzrahmens der verschiedenen Realismus-Debatten und -Strategien der Kunst seit beginn des 19. Jahrhunderts, sondern um dessen kritische Aktualisierung. Realismus muss ständig neu entwickelt werden, im spezifischen Verhältnis zu den je historischen Krisenbedingungen.

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[1] wie etwa „Made in Germany“, Hannover 2007 oder „Vertrautes Terrain“, ZKM Karlsruhe 2008. Und im Jahr 2009 aus Anlass des 60. Geburtstags der BRD: „Flagge zeigen?“, Haus der Geschichte Bonn, „60 Jahre 60 Bilder“, Martin-Gropius-Bau Berlin und „2000 Jahre Varus Schlacht. COLOSSAL – Kunst Fakt Fiktion“, Osnabrück 2009. Die Kulturstiftung des Bundes fördert mit dem Themenschwerpunkt „Deutschland 2009“ gleich mehrere Projekte in unterschiedlichsten Kunstbereichen, u.a. das Theaterprojekt „60 Jahre Deutschland – Annäherung an eine Unbehagliche Identität“ oder die Ausstellung „Kunst und Kalter Krieg: Deutsche Positionen 1945 – 1989“ im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg und im DHM Berlin. Auch im Kino wird National-Geburtstag gefeiert: „Deutschland 09 - 13 kurze Filme zur Lage der Nation“ in Zusammenarbeit mit den derzeit bekanntesten deutschen Star-Regisseuren.

[2] Max Klebb in „Die Absage an die Nation Kollektivieren“, unveröffentlichtes Manuskript (2009).

[3] Zitiert nach Ivo Bozic: „Wollt Ihr den Normalen Krieg?“, in Jungle World Nr. 2, Januar 2009 (http://jungle-world.com/artikel/2009/02/32405.html )

[4] Vgl. die Realismus-Debatte der Realismus AG // Freie Klasse FFM im Online-Magazin „Realismus!“ (2008): http://realismworkinggroup.wordpress.com/vorwort/









Taking Measures - Intro

deutschsprachige Version

seminar info

Big art sponsors shorten their budgets or melt into air, such as the investment bank Lehman Brothers which also co-financed the Städel Museum in Frankfurt am Main. At the same time the "cultural nation" Germany will profit from art as a local investment, especially in times of economic crisis. The abundance of exhibitions adressing the topic of Germany within the last years[1] show how curatorial concepts can turn art, which even takes a decidedly critical stance against Germany, into a very personal and subjective commitment towards the national state. Max Klebb described these developments aptly as "the critical rebirth of nationalism as culture."[2] In this way individualized imperatives of artistic production are turned into a subjectivist nationalism which boasts the claim to harbor and utilize limitless dimensions of differences.
The present form of an increasingly visible crisis development within capitalist economy demands a more realistic view on things. In place of the neoliberal euphoria of deregulated markets steps the similarly neoliberal conflict between globalization and national protectionism. But still there is a governmental consensus about taking the economic crisis as an occasion to finally moralize capitalism. The fact that this isn’t primarily meant to flatter NGOs and alter-globalization movements like Attac was made clear by german chancellor Angela Merkel in her new-years speech in 2009: "The crisis reveals the common spirit. Now this common spirit can help us in every situation. (...) We, the Germans, already mastered very different challenges, in the following year we will remeber them."[3] Shortly after, crisis ridden workers in Great Britain were motivated by a similar sense of national community. They reminded their Labour government of its long made promises by means of a wildcat strike demanding "British Jobs for British Workers". Here the other side of such "common spirit" of culturalized nationalism becomes clear. Namely the fact that its ideal of affirming differences is based on precarious conditions of bourgeois political economy. As long as the capitalist factory runs well every working worker is welcome at least until the next crisis argument provides the legitimation to reorganize the inventory of Human Resources on a national level.
This present situation illustrates the urgency for a critique of nationalism. So for us as artists the question arises how a cultural nationalism can be confronted in the field of visual arts. Therefore we attempt to discuss realist potentials in art beyond the mere idealization of neoliberal subjectivisms from self-entrepreneurship to "Du-bist-Deutschland" (You-are-Germany[4]). The cultural revitalization of a nationalist romanticism calls for the actualization of realism – a realist stance in art confronting these contemporary forms of national naturalization. But still, it seems that art has more in common with police than with politics. The romantic idea of the artist continues to serve as a tool for subjectivist normalisation. However, the producer of art is still a subject of the enlightenment and as such capable of solidarity and collectivity without the abandonment of identity. Realism as artistic solidarity in opposition to new cultural strategies of nationalism is what we want to address. This is not achieved in the mere reenactment of the historical framework of the debates on realism in visual arts since the beginning of the 19th century. Realism must continously be redeveloped concerning its specific relation to respective historical conditions of crisis.


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[1] such as "Made in Germany", Hannover 2007 or "Vertrautes Terrain", ZKM Karlsruhe 2008. And in 2009 celebrating the 60th aniversary of Germany: "Flagge zeigen?", Haus der Geschichte Bonn as well as "SIXTY YEARS. SIXTY WORKS.", Martin-Gropius-Bau Berlin. And on April 25, 2009 the contemporary art exhibition "2000 Years Varus Battle. COLOSSAL – Art Fact Fiction" (curated by former documenta boss Jan Hoet) celebrates the 2000th aniversary of the founding myth of german identity – the Varus battle in the Teuteburger forest in the Osnabrücker Land. Under the topic "Deutschland 2009" the Kulturstiftung des Bundes sponsors a range of projects in different art fields such as the theatre project „60 Years in Germany - Warming up to an Uncomfortable Identity“ or the exhibition "Art of Two Germanys / Cold War Cultures" in the Germanische Nationalmuseum in Nürnberg and in the DHM Berlin. Also in cinema the national birthday is celebrated with "Deutschland 09 - 13 kurze Filme zur Lage der Nation" in collaboration with some of the most well known german star-directors.

[2] Max Klebb in "Die Absage an die Nation Kollektivieren", invitation call for a conference on art and (anti)natioanlism in Berlin, February 2009.

[3] Quoted after Ivo Bozic: "Wollt Ihr den Normalen Krieg?", in Jungle World Nr. 2, January 2009 (http://jungle-world.com/artikel/2009/02/32405.html )

[4] Du bist Deutschland – "You are Germany" was a social marketing campaign in Germany. Its aim was to achieve positive thinking and a new national feeling.




Free Class Realism Seminar at Faites votre jeu!

Confronted with new cultural forms of national crisis management we want to discuss critical potentials of a realist actualization in art. Therefore we take the struggle with history as our starting point. We choose the realism debates from the 1920s/1930s and 1960s/1970s as well as later examples of filmic reconstructions in order to discuss the present conditions of art making.



Research Materials:



Critique of Nationalism


- Max Klebb: Collectivizing Anti-National Refusal

- The Timeline Group: Front Matter - Nationalism reloaded; Reflections

- Der Nation Das Herz Brechen. Das Event zur Varusschlacht Verderben.

- I Can't Relax in Deutschland

- Never Going Home



Debates on Realism


- Eugene Lunn: Marxism and Art in the Era of Stalin and Hitler: A Comparison of Brecht and

Lukács

- Scott J. Thompson: From 'Rausch' to Rebellion: Walter Benjamin's On Hashish and the Aesthetic Dimensions of Prohibitionist Realism

- Frederic Jameson’s Afterword to Aesthetics and Politics: Theodor Adorno, Walter Benjamin, Ernst Bloch, Bertolt Brecht, Georg Lukacs

- Julia Lesage: Godard and Gorin's left politics, 1967-1972

- Interview with Klaus Herding: Das Überzeitliche im Realismus



Reconstructions and Actualizations


- Walter Benjamin: Convolute N – On the Theory of Knowledge, Theory of Progress

- Walter Benjamin: On the Concept of History

- Claude Lanzmann: Pourqoi Israel (1974), Shoah (1985), Tsahal (1994), Sobibor (2001)

- Rebond: La Commune (2000)

- Jeremy Deller: The Battle of Orgreave(2001)



Police Art 2009


- 2000 Years Varus Battle. COLOSSAL – Art Fact Fiction

- 60 Years in Germany - Warming up to an Uncomfortable Identity

- SIXTY YEARS. SIXTY WORKS. Art from the Federal Republic of Germany

- Deutschland 2009

- Art of Two Germanys / Cold War Cultures

- Flagge zeigen?

- Becoming Dutch

- Italics



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Faites votre jeu! is an initiative of political and artistic interest groups appropriating empty buildings in Frankfurt am Main for the purpose of experimental production. At the moment, the initiative is squatting a former youth center in Bockenheim. Soon Faites votre jeu! will move into an old prison building in the center of Frankfurt am Main.

For further information visit: www.faitesvotrejeu.tk


The Free Class FFM is a loose network of artists, who are connected by an ongoing discussion on art and politics. Within the Free Class different working groups and experimental initiatives are developed on a variety of topics. The Free Class is certainly not ‘free’ in the universal sense of the word. But at least we succeed in distancing ourselves from the useless educational consensus of qualifying examinations, tuitions, professor masters and docile scholars.

For further information visit: http://freeclassfrankfurt.wordpress.com